Kulturkritik

Ihr fragt nach Spenden, ich frage wo euer Geld herkommt?

Kürzlich wurde ich in der Fußgängerzone von einem freundlichen jungen Mann angesprochen, ob ich nicht für eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, für die sich sein Verein einsetze, spenden möchte. Für welche Organisation dieser junge Mann tätig war oder ob ich das Anliegen sinnvoll oder nicht ansehe, sei dahingestellt. Es spielt keine Rolle, die folgenden Ausführungen gelten für nahezu alle zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Auf seine Frage habe ich mit einer Gegenfrage geantwort: Wie finanziert ihr euch? Die schnelle Antwort lautet: So ungefähr zu gleichen Teilen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Drittmitteln. Was sind denn "Drittmittel" fragte ich, wohl wissend wie die Antwort ausfallen würde. Denn Drittmittel sind eine Art Codewort für staatliche Zuwendungen. Und staatliche Zuwendungen sind nichts anderes als Steuergelder. Daraufhin antwortete ich, dass unabhängig von meiner persönlichen Sympathie für die Sache des jungen Mannes und seines Vereines, ich in meiner Eigenschaft als Steuerzahler bereits an einem Drittel der Finanzierung beteiligt sei und ich somit keine weiteren Spenden leisten würde. Leider wandte er sich dann von mir ab und anderen, fiskalisch weniger pedantischen Einkaufenden, zu. Es hätte eine so schöne Diskussion werden können, die müssen wir dann wohl hier führen.

Eine freie und demokratische Gesellschaft lebt von zivilgesellschaftlichem Engagement. Von Spenden über Ehrenamt bis zur Vereinstätigkeit. Unmöglich könnte die Vielzahl an Aufgaben, Zwecken und Bedürfnissen vom Staat bereitgestellt werden. Und letztlich gibt es auch mehr als nur marktwirtschaftliche Produktion zur Gewinnerzielung auf der einen oder bürokratische Bereitstellung von staatlichen Dienstleistungen auf der anderen Seite. Aber wie wird das finanziert? Ursprünglich über Mitgliedsbeiträge, Spenden aber durchaus Bezahlung für einzelne Güter und Dienstleistungen. Es haben sich Menschen aus der Gesellschaft zusammengeschlossen um gemeinsam für ein Ziel einzutreten. Folgerichtig kann die Finanzierung auch nur aus der Gesellschaft heraus erfolgen.

Das hat sich aber geändert. Mittlerweile wird für viele große aber auch kleine gemeinnützige Vereine und Projekte, die Finanzierung vom Staat mitgetragen. Eine fatale Entwicklung wie sich wohlmöglich in Zukunft zeigen wird. Aber es war eine zunächst bequeme und sichere Strategie. Beiträge und Spenden schwanken. Menschen erachten bestimmte Aufgaben und Ziele mal als wichtig oder weniger wichtig. Eine langfristige und verlässliche Finanzierung wäre natürlich wünschenswert um Projekte entsprechend planen zu können. Und wer kann so etwas bereitstellen? Der Staat.

Also begann man staatliche Stellen von der Bedeutung und vor allem Förderwürdigkeit des jeweils eigenen Anliegens zu überzeugen. Man nennt das auch Lobbyarbeit. Und natürlich gibt sich fremdes Geld leichter aus, so dass mit der Zeit eine ganze Fördermittelinfrastruktur entstand. Die Vereine haben Menschen abgestellt, die sich nur auf das Einwerben dieser Mittel verstehen, die staatlichen Institutionen haben Bürokratien geschaffen, diese Mittel zu verteilen. Natürlich mit allen dazugehörenden Dokumentationspflichten. Wie auch sonst.

Das ist natürlich ein moralisches Problem für die Vereine. Denn Steuern sind Zwangsabgaben. Wer die nicht zahlen möchte wird irgendwann von der Polizei abgeholt, vom Gericht verurteilt und ins Gefängnis verbracht. Wir alle sind sozusagen Zwangsspender. Und unterschiedlich wie wir nunmal alle sind, finden wir vielleicht nicht jeden guten Zweck wirklich gut. Es gibt zudem genügend empirische Beobachtungen, die zeigen, dass eine steigende Steuerlast die Spendenbereitschaft senkt. Die Einstellung "ich zahle ja schon genug Steuern, warum soll ich noch spenden" ist nicht ungewöhnlich und kann bei intensiveren Spendenwerbeaktionen auch mal zu Unmut führen, insbesondere bei "guten Zwecken" die man eben nicht gut findet.

Aber für die Vereine ist das auch ein Problem. "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" macht sie nämlich zu Dienenden zweier Herren und Damen. Die Bedürfnisse und Anforderungen der Bürokratie sind durchaus andere als die der Mitglieder und Spender. Zumal nun auch noch Zeit und Geld aufgewendet werden, um weitere Drittmittel einzuwerben sowie den bürokratischen und politischen Prozess mitzugehen.

Nicht nur das, mit der Annahme staatlichen Geldes machen sich die Vereine abhängig von der Politik und dem jeweiligen parteilpolitischen Zeitgeist. Genau das was zivilgesellschaftliches Engagement eben gerade nicht sein soll. Plötzlich muss man die Projekte nicht nur bei den Spendern rechtfertigen, sondern auch bei den Parteien und Bürokratien. 

Und in der gegenwärtigen Debatte um die Kürzungen diverser Fördermittel zeigt sich diese Seite recht unangenehm. Es wird gegen den konservativen Wahlgewinner gewettert, es besteht die Angst bestimmte Parteien würden alles radikal kürzen was ihnen politisch nicht passt, es werden Drohszenarien aufgebaut was alles auf dem Spiel steht. Andere Vereine bauen schonmal ob des vielleicht geänderten politisches Windes ihre Lobbyarbeit aus und sehen auf einmal Vorteile für sich. Und ja, das tut sicherlch weh, wenn man sich über Jahre und Jahrzehnte an diese Art der Mitfinanzierung gewöhnt hat. Da stehen zum Teil Existenzen auf dem Spiel.

Das ist der Preis für den Pakt mit dem Teufel staatlicher Förderung.