Die Faktenchecker der Filme

Auf YouTube gibt es mehr und mehr Videos von Experten (zumeist der historischen Art) oder solchen, die sich dafür halten (zumeist Hobbyisten), welche Filme auf ihren Realitätsgehalt prüfen. Geradezu mit Schadenfreude machen sie sich daran, bekannte und ikonische Filme, Szene für Szene zu analysieren, um dann mit verschmitzter Expertenpontifikation herauszustellen, welche Details der jeweiligen Zeitperiode falsch dargestellt wurden. Man kann sie als die Faktenchecker der Filmszene bezeichnen und das ist, so glaube ich, mittlerweile kein Kompliment mehr.
Ein Beispiel soll die Detailgenauigkeit oder (nennen wir es doch beim Namen) Pedanterie verdeutlichen. Analysiert wurde „Apocalypse Now“, einer großen Vietnam-Anti-Kriegsfilme. Wobei diese Genrezuordnung eigentlich nur die oberste und oberflächliche Ebene trifft und eine rein historische Faktenanalyse im Grunde schon mit einem „Thema verfehlt“ geahndet werden müsste. Der Experte (immerhin ein Professor für Geschichte mit mehreren Veröffentlichungen zum Vietnamkrieg) monierte unter anderem die Verwendung von gekrümmten Gewehrmagazinen mit 30 Schuss statt den damals üblichen geraden Magazinen mit 20 Schuss Kapazität für M16-Gewehre der Soldaten. Die Verwendung von farblich nicht korrekter (rot bzw. violett statt grün) Leuchtspurmunition durch den Vietcong bzw. die vietnamesische Volksarmee. Letztlich ein Thema, welches auch schon im Internet rege diskutiert wurde, die Frage, ob ein UH-1 Helikopter ein Patrouillenboot anheben kann?
So amüsant diese Videos sein können, zeigt sich doch eine bedenkliche Fixierung auf eine bestimmte Art von Korrektheit bzw. den Wunsch, ein filmisches Gesamtwerk wie mit dem Skalpell faktisch zu sezieren. Aber Film ist ein totales Werk und keine Aneinanderreihung von Szenen, obwohl rein technisch Film das natürlich ist. Aber die eigentliche Wirkung erzielt sich eben in der Gesamtheit und der vollständigen Erfahrung des Filmschauens. Vielleicht ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem gesamten Werk und seinem Kontext für die Generation YouTube schon zu schwer. Es scheint auf jeden Fall einfacher, simple Fakten zu kritisieren, um „Content“ zu produzieren, als sich mit der Bedeutung des Films für das Verständnis unseres Menschseins auseinanderzusetzen.
Mit dem Gesagten hat diese Seziertechnik aber dennoch einen Raum. Unser Bild von Geschichte ist zum großen Teil durch die Medien und gerade durch Film geprägt. Historiker können und sollten das Medium Film analysieren, um dann den historischen Kontext der Story besser (und oft richtiger) zu erläutern. Das Bild nicht nur geradezurücken, sondern zu erweitern. Leider verbleibt es oft bei einem schelmischen „Ach das haben die aber nicht richtig dargestellt, aber trotzdem ein toller Film. 6/10 Punkten“. Hier könnte mehr gehen.