A binge-worthy book
Economist, Books of the Year
Mit der Empfehlung vorn auf dem Deckel sollte es ein spannendes und fundiertes Buch werden. Ist aber nicht so. Aber von vorn.
„Pandora’s Box“ will die Wandlung des Genres der Fernsehserie vom unkontroversen Medium für Waschmittelwerbung hin zu einer eigenen Kunstform erzählen. Ein spannendes Thema von den klassischen US-Serien der 1970- bis 1990er-Jahre, welche nach immer gleichem Muster gestrickt waren: brav, anständig und massen- sowie werbetauglich – von den völlig neuen, ja schon cinematischen Serientypen der Kabelsender (HBOs „Sopranos“) bis hin zu den neuen Binge-Serien der Streaming-Portale.
Was für ein dankbares und vielfältiges Thema. Hier kann man kulturelle und psychologische Medienanalyse machen, Seh- und Freizeitgewohnheiten beschreiben, den Inhalt der Serien in einen zeitgeschichtlichen Kontext setzen sowie ökonomische Zusammenhänge und das „Business“ von TV erläutern und natürlich auch ein wenig hinter die Kulissen und auf die Menschen der Branche schauen. Leider macht Peter Biskind fast nur das.
Anstelle eines Blicks von oben, einer fast schon historischen Betrachtung, bleibt Biskind beim Gossip und beim Herunterrattern von Serienbeschreibungen. Seite um Seite geht es nur um die Menschen vor, aber meist hinter der Kamera, um deren Charaktereigenschaften, Skandale und Fehlbarkeiten. Um wer wen als CEO ablöst, wer wen irgendwo hinausdrängt, wer Drogen nimmt, wer sich wie ein Arsch verhält oder Frauen belästigt. Langweilig, wenn zumindest die Hälfte des Buches nur davon handelt. Die Aneinanderreihung von Zitaten ist so ermüdend, ein ständiges „Wer hat was gesagt“.
Der andere Teil des Buchs bleibt beschreibend und fast schon banal. Es wird eine Serie nach der anderen beschrieben, aber selten analysiert, kontextualisiert oder interpretiert. Oft geht es nur darum, dass hier und da die Charaktere nicht nur gut sind, sondern echt böse. Schaut, wie es dargestellt wird. Schaut, was sich die Macher trauen. Schaut, wie die Serie unser Bild von Amerika dekonstruiert. Die Beschreibungen betonen oft die zynischen Aspekte, und eine differenzierte Analyse bleibt aus.
Man spürt Biskinds postmodernen, dekonstruktivistischen (oder auch simpel destruktiven) Blick auf Werte, Normen und Traditionen in der Art und Weise, wie genau diese Aspekte von Serien im Vordergrund stehen. Und gerade hier hätte man die Frage stellen können, warum solche Serien (z. B. Breaking Bad, Weeds) so populär sind. Aber es bleibt bei Lobhudelei und dem eigenen Genuss der Dekonstruktion.
Spürbar deutlich wird die Abneigung des Autors für alle, die nicht an den amerikanischen Küsten leben, woke und „liberal“ im amerikanischen Sinne sind. Die wiederkehrende „Die Bosse machen zu viel Geld“-Haltung ist ermüdend. Vielleicht müssen Bücher, die primär in den USA erscheinen, mittlerweile den politischen Polarisationszirkus mitmachen, um gelesen zu werden?
In diesem Buch lenkt die spürbare politische Einstellung Biskinds nicht nur vom Thema ab, sondern ruiniert das Lesen durch die damit einhergehende zynische, aber zugleich in der Regel lobende, Betrachtung der Serieninhalte und der ebenso zynischen – aber diesmal bleibt es dabei – Beschreibung der dahinterstehenden Welt der Produzenten und Medienfirmen. So als ob gute Serien zu produzieren gut ist, aber damit viel Geld zu verdienen irgendwie unmoralisch sei.
Peter Biskinds „Pandora’s Box“ ist eines der wenigen Bücher, die es geschafft haben, mich nicht nur zu langweilen, sondern wahrlich zu nerven. Ich habe es ungebinged nach der Hälfte weggelegt. Meine Zeit war mir zu schade. Und zugleich wäre es das Thema so sehr wert gewesen, mit mehr Mühe, Aufrichtigkeit und ideologiefreiem Blick betrachtet zu werden.
Schreibe einen Kommentar