Graffiti, U-Bahn und Bier

Ort: Berlin / Steglitz / U-Bahnhof Schloßstraße
Kamera: Ricoh GR IIIx

Ein Nichtort an einem der belebtesten Orte im Südwesten von Berlin. Inmitten einer Einkaufsstraße mit mehreren Shoppingcentern, einem Kino, unzähligen Geschäften und feinen Altbauten. Eine Gegend, in der sich zunehmend hippe Frühstückslokale mit Warteschlangen fast schon auf DDR-Niveau ansiedeln und Englisch immer öfter als Stadtsprache zu hören ist. Die Gentrifizierung hat nun auch Steglitz erreicht.

Und mittendrin steht der „Bierpinsel“ direkt über dem U-Bahnhof: alter Beton, Vogelkot, Müll, Graffiti, Menschen ohne Obdach, die Autobahn und eine Dauerbaustelle. Nur wenige Meter links oder rechts davon: Shopping, Restaurants, Menschen und neue Konsumglaspaläste. Ein skurriler Ort, an dem sich niemand aufhält. Menschen steigen hier nur in die U-Bahn und selbst dafür gibt es Seiteneingänge, die sauberer erscheinen und das Risiko von Vogelkotbefall minimieren.

Am und im Bierpinsel selbst gibt es nichts mehr. Ein Spielwarenladen hält sich hartnäckig auf der gegenüberliegenden Seite. Im Bahnhof, wie immer, die üblichen Imbisse. Das ganze Ensemble liegt zudem direkt unter der Stadtautobahn. Aber selbst im Untergrund wird es nicht besser. Der Bahnhof ist seit Jahren eine Baustelle, mit abgesperrten Gängen ins gefühlte Nichts, nackten Wänden ohne Dekoration und, ja, selbst ohne bunte Werbung. Die noch erhaltenen Fliesen eine Erinnerung an die mutige Farbwelt der 1970er-Jahre.

Geplant war dieser Bahnhof übrigens für zwei U-Bahn-Linien, wobei beide Linien je nach Richtung am selben Bahnsteig halten sollten. Dafür wurden zwei Bahnhöfe unterirdisch übereinander gebaut. Aus der zweiten Linie (die berühmte U 10, an der schon seit 1955 mehr oder weniger intensiv geplant wird) wurde bis heute nichts. Die Züge nach Norden Richtung Zoologischer Garten halten oben, die Züge nach Süden unten. Die jeweils andere Seite der Bahnsteige ist durch Zäune abgesperrt und praktisch kaum beleuchtet. Dadurch wirkt der Bahnhof dunkel, geheimnisvoll, aber irgendwie auch gruselig und leer, warten doch immer nur halb so viele Menschen auf einem der Bahnsteige.

Das einzig Farbenfrohe bieten die wenigen Fliesen und Metallelemente sowie die Busse oben in Verkehrsgelb. Vielleicht wird eines Tages die Buntheit des Bahnhofs wieder hergestellt. Was oberirdisch anstelle des Bierpinsels entstehen soll, bleibt offen. Von Gastro, Shopping oder Co-working Spaces für Start-ups waren schon alle Ideen dabei. Bis dahin verfällt das Gebäude, und dieser Ort bleibt ein Nichtort.

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