Jeden Tag sieht man sie, meistens werden sie ignoriert: Wahlplakate. Dabei kann es durchaus interessant sein, die Wahlsprüche und Bilder einmal zu analysieren, ja zu kritisieren. Die Reihenfolge der folgenden Artikel stellt keine Präferenz oder Wertung dar, sondern entspricht der Reihenfolge auf dem Wahlzettel in meinem Wahlkreis. Die Auswahl der Motive erfolgte unter anderen auch in Hinblick darauf, möglichst unterschiedliche Themen aufgreifen zu können. Und nur als Hinweis: Der ganze Text ist natürlich Polemik, wie es sich in der Politik gehört.
Inhalt
Karl der Große und der nach ihm benannte Karlspreis waren schon immer merkwürdige Symbole für ein geeintes Europa. Ein Monarch, der große Teile Europas auch militärisch geeint hat und dessen Reich nach dem Tode wieder zersplitterte, scheint ein zweifelhafter Repräsentant Europas zu sein.
Noch fragwürdiger ist aber der Ausruf »FESTUNG EUROPA!«, assoziiert man doch Festungen üblicherweise mit dem Schutz vor belagernden Feinden. Europa ist aber nicht belagert und zumindest die Länder der Europäischen Union sind auch nicht in akuter Bedrohung durch äußere Feinde.
Vielleicht spielt die Festungsrethorik darauf an, Europa vor »belagernden« Flüchtlingsströmen schützen zu wollen? Ob es zum Thema Zuwanderungspolitik eine solch martialische Beschreibung braucht, ist fraglich. Ob es einer Festung bedarf, um uns vor fliehenden Menschen zu schützen, ist eigentlich schon geschmacklos. Denn die meisten Menschen wollen uns nichts antun, nicht erobern oder zerstören, sondern einfach sicher und, ja, auch in Wohlstand leben. Wie man Migration organisatorisch handhabt, ist eine Frage pragmatischer Politik und nicht des Festungsbaus.
Der Begriff »Festung Europa« hat zudem eine interessante Geschichte, wurde er doch zuerst während der napoleonischen Kriege von Seiten der Briten benutzt, als fast ganz Europa unter der Herrschaft Napoleons zu stehen schien. Auch die Nationalsozialisten sowie die Alliierten bedienten sich dieses Begriffs während des Zweiten Weltkrieges.
Design
Die Gestaltung des Plakates ist verwirrend. Wie viele mögliche Wähler erkennen Karl den Großen auf dem Plakat? Selbst ich musste nachschauen. Warum hat die »Festung Europa« links eine deutsche Fahne? Müsste da nicht die Europafahne hin? Auch die beiden Ausrufezeichen machen zusammen mit den Majuskeln einen hektischen Eindruck. Stehen doch Großbuchstaben im Internet in der Regel für das sehr laute Reden, ja, fast Schreien einer Person.
Fazit
Inhaltlich am Thema vorbei. Zuwanderungspolitik ist kein Festungsbau. Aus einer belagerten Festung kommt man auch nicht raus, und irgendwann sind die Vorräte weg. Design verwirrend – wer ist der goldene Mann? Deutschlandfahne und »Europa« wecken historische Assoziationen.