Populismuskritik: Illegale Einwanderung

Illegale Einwanderung ist mal wieder Thema und Positionen dazu gibt es im Internet und den Medien vermutlich mehr, als Menschen im Jahr versuchen nach Deutschland zu kommen. Wir müssen keine weitere Position hinzufügen und schauen uns stattdessen den Begriff »illegale Einwanderung« an und werfen im Anschluss noch einen Blick auf die recht neue »irreguläre Einwanderung«. Als Varianten gibt es das ganze noch als Immigration (= Einwanderung), Migration, Zuwanderung oder Zuzug. Die semantischen Unterschiede tun fürs Weitere nichts zur Sache und wir bleiben beim Begriff »Einwanderung«.

Einwanderung ist ziemlich schnell geklärt: die dauerhafte Niederlassung bzw. der Versuch solcher in einem fremden Land. Die spezifischen Gründe dafür sind vielfältig, können aber zusammenfassend damit beschrieben werden, dass Menschen in andere Länder migrieren, weil sie sich ein besseres Leben erhoffen. Manchmal sind die Zustände in den Heimatländern schrecklich (Krieg, Verfolgung, Katastrophen etc.) und ausschlaggebend (man nennt das Push-Faktoren) und manchmal erhoffen sich Menschen bessere Chancen, mehr Wohlstand, Bildung oder ähnliches (Pull-Faktoren). Wie auch immer, der Wunsch nach einem besseren Leben, wie auch immer ist der fast schon banale Kern von Migration. Das gilt übrigens auch für einen berufsbedingten Umzug von der Uckermark nach Stuttgart (nennt sich auch «interne Migration»).

Die meisten Menschen, wenn sie nicht nur temporär Schutz suchen, wollen im neuen Land ein normales Leben führen wie wir Einheimische auch, d.h. eine Arbeit finden und Geld verdienen, irgendwie schön wohnen, eine Familie haben, Ausgehen oder was auch immer. Einige werden sicher auch vom Sozialsystem angelockt und hoffen auf ein bequemes Leben oder betätigen sich in der Kriminalität. Damit sind Migranten auch nicht anders als die Einheimischen. Schwarze Schafe und faule Äpfel gibt es auf jeder Weide und jedem Obsthain. Und als Gesellschaft können wir mit diesem Menschen letztlich genauso umgehen, wie mit denen, die zufällig hier geboren wurden.

Was aber ist mit dem Begriff »illegal«? Definiert ist das Wort als jegliche Handlung, welche gegen geltende Rechtsnormen verstößt. Mord ist illegal. Das Herausstellen von zu vielen Stühlen vor einem Café ist es auch. Illegalität hat keine moralische Bedeutung. Die meisten Rechtsnormen betreffen überhaupt nicht unsere moralische Sphäre, sondern regeln lediglich komplexe gesellschaftliche und technokratische Fragen. Wer darf wo was bauen, wie lange dürfen Geschäfte aufhaben, wie soll Müll sortiert werden, wie viele Erste-Hilfe-Koffer müssen pro Hundert Personen vorgehalten werden oder in welcher Form sind Steuern und Abgaben betrieblich zu dokumentieren. Die überwiegende Mehrzahl der Rechtsnormen ist von dieser Art. Verstöße dagegen sind illegal. Aber meistens nicht unmoralisch.

Im laienhaften (also nicht juristischen) Sprachgebrauch hat »illegal« aber oft eine moralische Komponente. Wir denken schnell an verwerfliche Straftaten wie Mord, Körperverletzung, Raub, Betrug und Steuerhinterziehung. Menschen, die etwas Illegales tun, erscheinen irgendwie schlecht, schädlich, verwerflich, böse oder kriminell. Dabei haben die wenigstens Gesetze mit »kriminellem« Verhalten zu tun. Sie regeln lediglich unser komplexes Zusammenleben in einer sich stetig verändernden Gesellschaft.

»Illegale« Einwanderung, und so muss man es ausdrücken, bedeutet nichts anderes, als die politische Entscheidung, bestimmte Menschen nicht nach Deutschland kommen lassen zu wollen. Oder zumindest nicht bleiben lassen zu wollen. Und das hat nichts mit den Menschen selbst zu tun. Die Allermeisten erhoffen sich einfach nur ein besseres Leben, so wie wir alle. »Wir« wollen das aber einigen Menschen nicht erlauben. Vielleicht aus Angst, Sorge, aus finanziellen oder organisatorischen Gründen, es spielt keine Rolle. Ihr dürft und ihr da dürft nicht bleiben und versuchen ein besseres Leben zu haben, es ist eine politische Entscheidung und hat recht wenig mit »Illegalität« zu tun. Es ist einfach nur Einwanderung entgegen einer willkürlichen Festlegung. So sollten wir es nennen.

Das kommt so langsam an und daher taucht mehr und mehr der Begriff »irreguläre« Einwanderung auf. Aber auch dieser Begriff lässt schnell damit assoziieren, hier stimme etwas nicht, hier passiert etwas Irreguläres. Selbst wenn die moralische Komponente wie bei »Illegal« entschärft wird, es bleibt dabei, dass die Menschen etwas tun, was nicht richtig ist. Dabei tun »wir« als Gesellschaft ja etwas, wir erklären den ausgeübten Wunsch nach einem besseren Leben als irgendwie falsch, irregulär, ja letztlich illegal. Aber darüber und die dahinter stehenden Gründe nachzudenken, das ist natürlich unangenehm. Also lieber die Anderen als illegal bezeichnen.

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