The Florida Project (2017): Eine Disney Traumwelt auf zwei Seiten

The Florida Project is widely regarded as one of Baker’s best films and among the best films of the 21st century.

Wikipedia

Zu den besten Filmen des 21. Jahrhunderts gehörend, so eine Aussage weckt Erwartungen. Ob sie erfüllt werden, wird sich zeigen.

The Florida Project erzählt die Geschichte – Moment. The Florida Project erzählt keine Geschichte, sondern zeigt ähnlich einer Dokumentation Episoden aus dem Leben der sechsjährigen Moonie und ihrer Mutter Hailey. Beide leben in einem „Motel für Arme“ direkt neben dem Disneyland in Florida. Das „Project Florida“ ist eine fürs Disneyland gebaute Siedlung mit Motels, Ferienhäusern und Geschäften für die erwarteten Touristen.

Alle Gebäude haben den typischen Disneylook mit Pastellfarben, welches es einem nach einer halben Stunde Film zum Halse heraushängt. Alles ist umgeben von lauten Straßen und Highways, fast alles ist ein Drive-in, es gibt keine städtische Welt außerhalb der Motels. Die Gegend ist mittlerweile heruntergekommen und die meisten „Motelgäste“ sind Menschen, die sich keine richtige Wohnung leisten können. Dazu gehört auch Hailey, die sich mit erotischem Tanz, später Prostitution und kleineren Betrügereien über Wasser hält.

Moonie lebt mit ihren sechs Jahren noch in einer Art spiegelbildlichem Disneyland. Sie hat Abenteuer mit anderen Kindern in den Motels, in abgewrackten Ferienhäusern, ergaunert sich Eis und macht Unsinn. Ihr ist die Situation, in der sie lebt, die Armut, noch gar nicht richtig bewusst. Ein Gegenstück zur Illusion des richtigen Disneylands, welches zwar im Hintergrund bleibt, aber durch die täglichen Magic Kingdom Feuerwerksshows und den lärmenden VIP Hubschrauber immer präsent bleibt.

Aber im Gegensatz zum Disneyland muss Haileys und Moonies Illusion irgendwann zusammenbrechen. Und das tut sie auch durch den Besuch des Jugendamtes, welches Moonie in einer Pflegefamilie unterbringen möchte. Moonie realisiert dabei das erste Mal ihre Situation, weint und nimmt mit einer Freundin Reißaus, direkt hinein ins Disneyland, der nächsten Illusion.

Bravo, sehr schön gemacht. Gegenüberstellung von Armut und Reichtum. Illusion aus Verdrängung der eigenen harten Realität und Illusion als reinen Eskapismus, weil man es sich halt leisten kann. Wunderbar gewählt, der Kontrast zwischen Disneyland und Armenmotels. Aber doch etwas zu plakativ, zu sehr schwarz und weiß und zu wenig Differenzierung.

Da ist nämlich ziemlich inkonsistente Kleinigkeit. Moonie lebt in einer eigenen Illusion mit ihrer Mutter. Wenn Geld da war, wurde Moonie mit Essen und Shopping verwöhnt, sie hatte praktisch keine Grenzen und letztlich war Hailey selbst noch mehr Kind als Elternteil. Und diese Darstellung ist nicht glaubwürdig.

Hailey muss ja auch die Welt der Erwachsenden navigieren, sie ist schließlich kein Kind mehr und kann sich bestimmte Illusionen nicht leisten. Geldmangel ist ein reales Problem. Und Haileys Problemlösungskompetenz ist ziemlich einseitig und mangelhaft. Immer wenn es etwas nicht passte, wird sie wütend und aggressiv. Sie beschimpfte andere, wird sogar handgreiflich, um zu bekommen, was sie will. Widerstände oder ein „Nein“, damit kommt sie nicht klar.

Wie schafft es so jemand dann, in dieser total verleugnenden und illusorischen Welt mit der Tochter zu leben? Einer Sechsjährigen mit Wünschen (die mangels Geld vermutlich oft nicht erfüllbar sind), Willen und Trotz. Wie würde denn Hailey mit Moonie umgehen, wenn sie unweigerlich mal nicht eine süße Sechsjährige, sondern einfach mal ein herausforderndes Kind wäre. So wie Hailey im Film dargestellt wird, müsste sie genauso kindisch, aggressiv und unreif reagieren. Alles andere wäre schon sehr erstaunlich.

Stattdessen haben die beiden, zumindest miteinander, nur schöne Momente. Ja natürlich, irgendwie basierend auf einer Illusion, aber Konflikte, Streit, Erziehung, Grenzen setzen und austesten, also Elternsein – das wird im Film komplett ausgeblendet. Aber was wäre, wenn nicht?

Dann wäre die im Film aufgebaute Illusion Moonies schon längst kaputt. Immer wieder zerstört durch Haileys Ausbrüche und Unfähigkeit. Aber klar, hätte man das gezeigt, würde die Gegenüberstellung von Moonies Illusion und der Illusion Disneylands filmisch natürlich nicht funktionieren. Wir als Zuschauer hätten wohl auch deutlich weniger Sympathie für Hailey gehabt.

Und so bleibt der Film letztlich auch eine Illusion. Eine Parabel auf Arm und Reich, die das Thema und vor allem ihre Subjekte auch nur wieder idealisierend aufgreift statt differenziert und ehrlich zu zeigen.

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